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hölle im kopf

pädophilie

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es begann mit der pressemeldung, 500 männer hätten sich gemeldet. beim charité-projekt "kein täter werden", das pädophilen männern die möglichkeit zu einer therapie gibt. 500 pädophile, die nicht pädophil sein wollten. die fragten, ob man das wegmachen könne, dieses empfinden. wie auch immer 'wegmachen'.

das konnte ich nicht glauben, das passte nicht in mein bild. pädophilie sind doch die, die verschlagen hinter bäumen lauern, um kinder zu mißhandeln. wie können die sich bei therapeuten melden und um hilfe bitten?

pädophilie ist schicksal, nicht wahl. das war das erste, was ich in gesprächen mit sexualpsychologen und -medizinern erfuhr. daß ich auf knien danken sollte, nicht selber pädophil zu sein. pädophilie erreilt einen und ist eine sexualpräferenz wie jede andere auch. und die wissenschaft weiß nicht, woher das kommt, das mit den präferenzen. sie weiß nur: ändern kann man präferenzen nicht. nur damit umgehen. 

ich habe in anderthalb jahren recherchen mit vielen pädophilen gesprochen. unter ihnen solche, deren wünsche einzig in der phantasie stattfanden und immer schon dort stattgefunden haben. unter ihnen auch solche, die mit kindern sexuell aktiv geworden sind und dafür verurteilt worden sind. es ging darum herauszufinden, wie sie mit dem immanenten paradoxon leben können: sich eine langjährige beziehung zu einem 12-jährigen zu wünschen... kinder wirklich zu lieben, sie als eigenständige persönlichkeiten zu begreifen - und trotzdem zu riskieren, ihnen mit dem wunsch nach sexueller interaktion das leben zu ruinieren...

ein problem der sendung: pädophilie ist ein thema mit absolutem wertgehalt. man braucht darüber - so die herrschende meinung - nicht zu diskutieren. das urteil steht ohnehin schon fest: nur die schärfste verurteilung gilt als adäquate reaktion. unterschiede zu bennen, sich der herrschenden terminologie zu verweigern, macht einen zum schreibtischtäter, zum verharmloser. pädophiler ist gleich kinderschänder ist gleich pädokrimineller ist gleich  kindermörder. daß das nicht stimmt, daß es da abstufungen gibt und daß sich die wahrheit (sofern es eine gibt) an den grenzlinien des sprachgebrauchs festsetzt: das zu sagen erscheint schon als skandal.

es ging darum, das leben und empfinden von pädophilen in den blick zu bekommen. um so etwas wie die darstellung einer "anderen wahrheit". ohne zu verharmlosen, ohne zu verurteilen.

"hölle im kopf" ist ein versuch. akustisch schwer zu gestalten, weil sich geräusche und musiken, die immer gleich suggestiv arbeiten, nicht anbieten. 

"hölle im kopf" konnte nur entstehen durch die gespräche mit dem sexualpsychologen christoph josef ahlers. features zu gestalten unter der mitwirkung von "fachleuten" ist schwierig, weil rasch naseweis. ahlers ist alles andere. eloquent, intelligent, offen, gewagt. "hölle im kopf" verdankt ihm eine menge.

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die arbeit am thema ging über die jahre weiter. siehe dazu auch mein stück über den zölibat. und das buch, das ich gemeinsam mit christoph joseph ahlers 2015 publiziert habe, "himmel auf erden und hölle im kopf".

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erstausstrahlungen: WDR3, 8.4.2008 (gekürzte version mit anschließendem studiogespräch); deutschlandradio kultur, 3.9.2008 & 29.9.2008

produzierende sender: deutschlandradio kultur, wdr

redaktion: brigitte kirilow

regie und realisation: michael lissek

musik: zeitblom

länge: 52'19 / 42'58

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zu den ausstrahlungen: weil das thema "pädophilie" eine scheint's ungeheure sprengkraft hat und redaktionen damit je unterschiedlich umgehen, existieren mittlerweile zwei fassungen von "hölle im kopf". am 8. april 2008 wurde im WDR eine entschärfte kurzfassung gesendet, die eine länge von 42'58 hat; danach wurde im studio mit einem forensiker über die gefährlichkeit der pädophilen diskutiert. am 3. & 29. september 2008 strahlte deutschlandradio kultur die originalfasssung aus; ebenso wie das RBB kulturradio am 29. januar 2009.