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die gefährlichkeit der salami.  

wie mir die geburt meiner tochter foucault beibrachte.

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ueberwachen und strafen

„ ‚Es ist ein eigentümlicher Apparat’,
sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und
überblickte mit einem gewissermaßen bewundernden Blick
den ihm doch wohlbekannten Apparat.“
Kafka. In der Strafkolonie.

wer was weiß, will's sagen. und wer nichts weiß, spricht trotzdem. spätestens seit meine frau schwanger wurde, weiß ich das.
„wie? du ißt immer noch salami?!“, fragte eines abends freundin stefanie. sie wüßte ja auch nicht, warum man das als schwangere nicht tun solle, aber die schwägerin einer bekannten von ihr, die habe von ihrer schwester gesagt bekommen, daß salami gefährlich sein solle… da lacht man dann gemeinsam drüber und sagt, nein, wir werden uns bestimmt nicht verrückt machen lassen vom inflationären ratgeber- und reinquatschertum. wir bekommen ein kind, und darüber freuen wir uns. aber nachts, kurz vor dem einschlafen, fällt sie einem wieder ein, die salami. und am nächsten tag erzählt man's vielleicht weiter, und damit ist sie in der welt: die gefährlichkeit der salami.
nachdem kirche und staat ihre verbindlichkeit verloren haben, habe sich die MACHT in unzählige kleine MÄCHTE aufgeteilt: freunde, ärzte, zeitschriften, werbung, die alle etwas wissen, ratschläge und hinweise geben, allesamt selbstredend wohlmeinend, und die damit, wie weiland die großen mächte, zur disziplin- und normalisierung des gesellschafts- wie des individuellen körpers beitragen. sagt der französische philosoph foucault.
und recht hat er. war man gerade noch so etwas wie ein halbwegs freies individuum, das nichts (als sich selber) bedeutete, findet man sich schlagartig, kaum war der schwangerschaftstest positiv, als potentielle funktion wieder. und die trägt den namen: vater.

erstsendung: rbb, kulturradio, 10. september 2005, 09.05 uhr.

regie: michael lissek

länge: 29'24

redaktion: barbara entrup

"die gefährlichkeit der salami" erhielt 2006 den RAVENSBURGER MEDIENPREIS
aus der begründung der jury:

"die idee, schwangerschaft und frühe jahre der elternschaft im lichte von foucaults thesen als eine zeit verschärfter sozialer und biografischer disziplinierungserfahrungen zu schildern, ist großartig gelungen. wie hier an winzigen details die "mikrophysik der macht" veranschaulicht wird, ist sehr überzeugend. transportiert von feinem witz vermittelt die sendung auch praktische informationen für paare in der gleichen situation."